Forschungsprojekt "Jüdische Bürger in Wuppertal und Umgebung zur Zeit des Nationalsozialismus"

Projektleitung: Prof. Dr. Manfred Brusten; Studentische und ehrenamtliche Hilfskräfte: Dirk Lindner, Gabriele Mahnert, Hiltrud Metzmacher, Christian Schlabschi, Klaus Zieres u.v.a.

Beschreibung des Forschungsprojektes

Die jüdische Gemeinde in Wuppertal und Umgebung hatte um 1933 mehr als 3.000 Mitglieder; von diesen wurden in der Zeit des Nationalsozialismus schätzungsweise 1.000 ermordet. Eine genaue Untersuchung gibt es hierzu noch nicht. Ziel des Forschungsprojektes war es daher, diese Wissenslücke zu schließen. Dazu wurde seit 1997 eine sehr umfangreiche - und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) teilweise mitfinanzierte - Erhebung zu allen jüdischen Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt, die in der Zeit von 1933 bis 1945 in Wuppertal und Umgebung geboren wurden oder gewohnt haben. Zurzeit umfasst diese Dokumentation ca. 4.800 Juden; außerdem ca. 260 nichtjüdische Ehepartner und ca. 460 jüdische, später meist liquidierte und "arisierte", Unternehmen.

Für diese Dokumentation sind sehr vielfältige historische Quellen ausgewertet worden; dazu gehören das "Gedenkbuch der BRD", das "Friedhofsbuch" der jüdischen Kultusgemeinde, das so genannte Boykottheft der NSDAP Wuppertal, Berufs- und Abgabenlisten der Nazis, Gestapoakten, Deportationslisten, Adress-Bücher, Geburts- und Sterbe-Register und vor allem umfangreiche "Wiedergutmachungs"-Akten aus der Nachkriegszeit sowie seit Frühjahr 2005 auch die "Central Database of Shoah Victims' Names" von Yad Vashem (bislang nur z.T.); außerdem bereits vorhandene lokale Publikationen und Forschungsprojekte wie z.B. über die "Arisierung" jüdischer Unternehmen in Wuppertal und so genannte Mischehen.

Die aus den genannten Quellen erhobenen Daten betreffen vor allem Vor- und Familiennamen, Geburts- und Todesdaten, Geburts- und Todesorte, Familienmitglieder, Schul- und Berufsausbildung, Berufe, Wohn- und Geschäftsadressen, Art der Geschäfte und Unternehmen, sowie Informationen über Emigration, Flucht, Verfolgung und Ermordung. Alle - z.T. durchaus unterschiedliche - Informationen wurden einschließlich ihrer jeweiligen Fundstellen elektronisch gespeichert und bilden bereits jetzt ein profundes Datenreservoir für weitere sozialwissenschaftliche und historische Forschungen; sowohl zu Einzelfällen als auch für "strukturelle Analysen" wie z.B. die jeweilige Anzahl der Wuppertaler Juden, die während des "Dritten Reichen" ausgewandert sind, differenziert nach Jahr und Land ihrer Emigration.

Das Forschungsprojekt "Jüdische Bürger in Wuppertal und Umgebung zur Zeit des Nationalsozialismus" steht im übrigen in enger Verbindung zu zwei weiteren Forschungsprojekten: "Opfer des Nazi-Terrors - ehemalige Deutsche Juden in Australien" und "Arisierung jüdischen Eigentums in Wuppertal". Mehr Informationen zu den Projekten und den dazu zugehörenden Veröffentlichungen unter www.prof-dr-brusten.de.

Auswahlkriterien für die Erstellung der Datenbank

Aus dem Forschungsprojekt über Jüdische Bürger in Wuppertal und Umgebung zur Zeit des Nationalsozialismus wird in der hier vorliegenden Datenbank lediglich eine Auswahl aller ermittelten Einzelfälle präsentiert. Die entscheidenden Auswahlkriterien für die Aufnahme in diese Datenbank waren:

  1. dass die Personen nachweislich vor 1934 geboren wurden; d.h. auch, daß Personen mit unbekanntem Geburtsdatum nicht aufgenommen wurden
  2. dass für sie oder ihre Familie zumindest eine konkrete Adresse in Wuppertal ermittelt werden konnte; wenn möglich, während des "Dritten Reiches"
  3. dass die Personen nachweislich während des "Dritten Reiches" in Haft genommen, deportiert bzw. ermordet wurden.

Diese Kriterien trafen auf rund 1.100 der insgesamt erfassten jüdischen Bürger Wuppertals zu; sie waren also zu Beginn des "Dritten Reiches" zumindest etwa -1 Jahre alt. Doch auch für diese ausgewählten Fälle musste das vorhandene Datenmaterial für die vorliegende Präsentation noch ganz erheblich reduziert werden. So werden z.B. von den in der Dokumentation erfassten Familienmitgliedern lediglich die Eltern genannt (nicht aber Geschwister, Ehepartner und Kinder); und als Verfolgungsmaßnahmen lediglich Gefängnishaft, Deportation und Ermordung (nicht aber die vielfältigen anderen Schikanen wie Zwang zum Verlassen der Schule, Berufsverbot, Denunziation, Schäden in der Pogromnacht, "Arisierung" von Eigentum, Zwangsarbeit etc.). Die hier vorliegende Datenbank stellt also nur einen relativ knappen, dafür aber per Formblatt vorstrukturierten Ausschnitt aus dem Gesamtmaterial des Forschungsprojektes dar und bietet insofern lediglich einen ersten wichtigen Anhaltspunkt zur Suche nach einzelnen jüdischen Bürgern Wuppertals; alle weiteren Informationen sind dagegen nur über persönliche Nachfragen bei den verantwortlichen Forschern zu erhalten. Dies gilt auch für Nachfragen nach den Quellen, aus denen die jeweiligen Informationen stammen.

Probleme bei der Erstellung der Datenbank

Trotz jahrelanger sorgfältiger Recherchen ist die hier vorliegende Datenbank noch immer weit davon entfernt, perfekt und vollständig zu sein - und sie wird es wohl auch nie sein können. Welche Schwierigkeiten bei der Erstellung der Datenbank zu überwinden waren, lässt sich schon an einigen - zunächst relativ einfach erscheinenden - Problemen erkennen.

Erfassung von Vor- und Familiennamen

Selbst die Vor- und Familiennamen der in der Datenbank erfassten Personen waren anhand der unterschiedlichen Quellen nicht immer eindeutig festzustellen. Die Gründe dafür sind recht vielfältig; relativ leicht nachzuvollziehende Gründe sind dabei vor allem folgende:

  1. Personen, die während es "Dritten Reiches" oder danach Deutschland verlassen haben, haben im Ausland sehr häufig ihren Namen geändert und dabei oft landestypische Namen oder Schreibweisen angenommen, so z.B. in England und USA ihren Namen anglisiert: d.h. aus Schmidt wurde z.B. Smith; aber aus Jakob auch gelegentlich James; andere änderten ihren Namen von Löwenstein in Livingston oder von Jacob Teitelbaum in Jack Taylor.

  2. Durch Heirat haben in der Regel vor allem Frauen den Namen ihres - oft ausländischen - Ehepartners übernommen und werden demzufolge dann auch unter diesem Namen in entsprechenden Akten geführt (z.B. in "Wiedergutmachungs"-Akten Ende der 50er Jahre, Anfang der 60er Jahre); also u.U. unter Namen, die es in Wuppertal nie gegeben hat.

  3. Viele Juden wurden in den historischen Quellen nicht nur unter ihren deutschen Vornamen, sondern auch unter ihren jüdischen Vornamen geführt, ohne dass die Zuordnung zu ein und derselben Person immer klar erkennbar ist.

  4. Ein spezielles Problem bietet die Schreibweise der Namen von Personen mit polnischer Herkunft. So wird eine Familie Lubnicki in einigen Dokumenten auch Lubniski, Lubnitzki oder Lupnitzki genannt; und der Name Wolkowitsch kann an anderer Stelle auch Wolkowitz oder Wolkowicz geschrieben werden. Noch wesentlich größere Probleme ergeben sich im übrigen bei der Schreibweise polnischer Geburtsorte, die - außer ihren meist historisch bedingten deutschen Namen - oft auch mehrere polnische Schreibweisen haben.

  5. Ein spezifisch deutsches Problem ergibt sich bei Namen mit Umlauten (ä, ö, ü) und "scharfem S" (ß), die vor allem in internationalen Texten, aber auch in deutschen Quellen in "englischer Schreibweise" geschrieben werden: ae, oe, ue und ss. Dies ist vor allem auch in vielen zentralen offiziellen deutschen Quellen zum Holocaust der Fall; z.B. im "Gedenkbuch der Bundesrepublik Deutschland (1986)" und in den Geburts- und Wohnortslisten des Bundesarchivs (z.B. Löwenstein-Loewenstein, Schürmann-Schuermann, Würzburger-Wuerzburger, Strauß-Strauss).

In der vorliegenden Datenbank werden alle Personen daher - soweit möglich - zunächst unter ihrem offiziellen deutschen Namen registriert, den sie z.Z. des "Dritten Reiches" in Wuppertal hatten. Dabei wird der Schreibweise in Geburtsurkunden - soweit einsehbar - Vorrang eingeräumt (sie wird an den Anfang gestellt) und eindeutig als falsch erkannte Schreibweisen auch als solche gekennzeichnet. Alle weiteren Familien- und Vornamen, die in den historischen Quellen gefunden wurden, werden dennoch jeweils genannt, um gegebenenfalls eine genauere Identifizierung der Personen zu ermöglichen

Erfassung von konkreten Wohnadressen

Große Probleme bei der Erfassung konkreter Wohnadressen ergaben sich nicht nur auf der Ebene der jeweiligen Einzelfälle, sondern vor allem auch durch zahlreiche politisch bedingte Änderungen von Straßennamen in Wuppertal - vor, während und nach dem "Dritten Reich".

Zu den Strassen-Umbenennungen in Wuppertal in den verschiedenen Phasen:

  1. Die Änderung von Strassennamen war in Wuppertal - mehr als in anderen Städten - vor allem eine Folge der Zusammenlegung von bis dahin selbstständigen Städten (Elberfeld, Barmen, Ronsdorf, Cronenberg, Vohwinkel und das bis dahin zur Stadt Lüttringhausen gehörende Beyenburg) in den Jahren 1929/30 zu einer Stadt mit dem neuen Namen Wuppertal. Dies führte Anfang der 30er Jahre zu einer umfangreichen administrativen Umbenennung von Straßen mit dem Ziel, dass alle Strassennamen, die bis dahin mehrfach vorkamen, nur noch einmal vorhanden sein sollten.

  2. Diese aus Verwaltungsgründen erforderlichen Straßenumbenennungen boten jedoch nicht zuletzt auch den Nationalsozialisten eine gute Gelegenheit, etliche Straßen und Plätze gemäß ihren politischen Interessen umzubenennen; nach Nazi-Größen und Organisationen (z.B. Adolf Hitler, Hermann Göring oder der SA); Umbenennung von Straßen, die bis dahin Namen bekannter Juden trugen (z.B. Rathenau, Einstein und Heine); oder Einführung von Straßennamen, die besser zur NS-Ideologie passten (z.B. Richard-Wagner-Straße oder Deutschherren-Straße). In einigen Fällen wurden auch mehrere, aneinander anschließende Straßen zu einer einzigen langen Straße zusammengefügt und damit auch alle Hausnummern geändert; das markanteste Beispiel dieser Art in Wuppertal ist die "Adolf-Hitler-Straße", die insgesamt 5 ehemalige Straßen in Elberfeld (Hofkamp, Berliner Straße) und Barmen (Haspeler Straße, Allee, Neuer Weg) umfaßte.

  3. Umbenennungen von Straßennamen nach dem Zweiten Weltkrieg; hierzu gehörte zum einen die nunmehr erforderliche "Entnazifizierung" von Straßennamen, zum anderen die Änderung von Straßennamen infolge der Kriegszerstörungen und neuer Straßenführungen. Oft waren in Dokumenten der Nachkriegszeit nur diese neuen Adressen zu finden; vielfach sogar unter Namen, die es während und vor dem "Dritten Reich" überhaupt nicht gab - wie z.B. die Friedrich-Engels-Allee, die in großen Teilen die ehemalige Adolf-Hitler-Straße ersetzt hat.

Diese für Wuppertal besonders umfangreichen Straßenumbenennungen führten bei den Recherchen nach ehemaligen Wuppertaler Juden immer wieder zu erheblichen Unsicherheiten und Problemen, weil in den verschiedenen Dokumenten häufig sehr unterschiedliche Wohnadressen für ein und dieselbe Familie genannt werden.

Hinzu kamen selbstverständlich Änderungen der Wohnadresse, die durch individuelle Entscheidungen bedingt waren (z.B. durch Wohnungs-Umzüge, Heirat und Auszug der Kinder) und nicht zuletzt auch durch Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialisten (z.B. als Folge von Verarmung, Mietkündigungen und durch Einweisung in so genannte Judenhäuser).

Trotz aller Bemühungen, die ehemaligen persönlichen Adressen der jeweiligen jüdischen Bürger Wuppertals ausfindig zu machen, waren bislang oft nur Adressen des Elternhauses (etwa z.Z. der Geburt der betreffenden Personen) oder der Ehepartner in den Dokumenten zu finden. Auch ein lückenloser Nachweis über die im Laufe der Zeit unterschiedlichen Wohnadressen der betreffenden Personen war nur in seltenen Fällen möglich. Die Datenbank ist also im Hinblick auf Adressen noch relativ unvollständig. Ihre Wiedergabe erfolgt hier - soweit möglich - in der historisch umgekehrten Reihenfolge von der zuletzt bekannten Adresse bis zur ältesten (meist Elternhaus-)Adresse; mit zusätzlichen Hinweisen zum Zeitpunkt, zu dem die jeweils genannte Wohnadresse nachweislich galt, und zu Straßenumbenennungen während des "Dritten Reiches".

Da viele jüdische Bürger Wuppertals bereits zu Beginn des "Dritten Reiches" ins Ausland emigriert sind, hatten sie von diesem Zeitpunkt an auch keine Wohnadresse in Wuppertal mehr. Um ihre Zeit in Wuppertal besser bestimmen zu können, werden daher - soweit möglich - auch Angaben darüber gemacht, in welchem Jahr (und wohin) sie damals emigriert sind. Dies gilt für rund 250 der hier präsentierten Personen; davon emigrierten die meisten nach Holland und Belgien, etliche aber auch nach Frankreich, England, die USA und Palästina; wobei wiederum die meisten von jenen, die nach Holland, Belgien und Frankreich emigriert waren, später - nach der deutschen Besetzung dieser Länder - dann dort in Lager (vor allem Mechelen und Westerbork) interniert und schließlich in die Vernichtungslager in Ost-Europa deportiert wurden.

Informationen über Berufe und berufliche Positionen

Nur für knapp 60% der in der Datenbank präsentierten Personen (ca. 85% der Männer, ca. 30% der Frauen) waren konkrete und spezifische Angaben zu den Berufen zu finden; und wenn, dann meist auch nur entweder ganz allgemeine Berufsbezeichnungen (wie z.B. Kaufmann) und Beschreibungen beruflicher Tätigkeiten (wie z.B. langjährige Mitarbeit im väterlichen Unternehmen). Die meisten Berufsangaben stammen daher aus dem so genannten Boykottbuch der NSDAP Wuppertal und den Adressbüchern der 30er Jahre und entsprechen damit auch der dort angewandten Systematisierung der Berufe. Ein Großteil der 70% fehlenden Berufsangaben bei Frauen dürfte indes vor allem darauf zurückzuführen sein, daß sie vermutlich "nur Hausfrauen" waren.

Weitere Probleme ergeben sich dadurch, dass Berufsbezeichnungen - ganz allgemein - nicht zuletzt immer auch individuelle Karrieren und gesellschaftliche Prozesse wiederspiegeln und einzelne Personen daher - im Laufe der Jahre - durchaus mehrere Berufe und berufliche Positionen haben können (z.B. gelernter Beruf als Ingenieur und spätere Position als Fabrikant oder so genannte Berufswechsler, etwa vom Schneider zum Textilvertreter).

Spezifische Probleme bei der Ermittlung von Berufen bei Juden während des "Dritten Reiches" ergeben sich jedoch vor allem durch die Auswirkungen ihrer Verfolgung (z.B. Entlassungen, Berufsverbote, "Arisierung" jüdischer Unternehmen und Zwangsarbeit), so dass viele Juden ihren "eigentlichen Beruf" schon ab Mitte der 30er Jahre nicht mehr ausüben konnten und ihre beruflichen Tätigkeiten daher häufig eher Indikatoren für "Überlebensstrategien" darstellen. Und Anfang der 40er Jahre konnten Juden, die in Deutschland verblieben waren, selbst dann, wenn sie eine qualifizierte Fachausbildung vorweisen konnten, nur als Lagerarbeiter, Hilfsarbeiter, Heimarbeiter oder Hausierer tätig sein; sie wurden oft als Zwangsarbeiter ausgebeutet und mit entsprechenden "Berufen" offiziell erfasst. In der vorliegenden Datenbank werden jedoch - soweit erkennbar - derartige diskriminierende Berufsangaben nicht wiedergegeben.

Welche Maßnahmen der Judenverfolgung stehen im Zentrum?

Die vorliegende Datenbank erfaßt nur einen relativ kleinen, wenn auch gravierenden Teil der Maßnahmen der Judenverfolgung im Nationalsozialismus: Inhaftierung, Internierung, Deportation (meist mit Todesfolge oder Ermordung). Andere - z.T. nicht minder schwere - Verfolgungsmaßnahmen, die im zugrundeliegenden Forschungsprojekt ebenfalls ermittelt wurden, werden hier nicht aufgegriffen: Maßnahmen der Diskriminierung und Entrechtung, Gewerbe- und Berufsverbote, Enteignung und "Arisierung" von Eigentum, Einschüchterungen, Zerstörung von Eigentum, Gesundheitsschädigung und - in Einzelfällen - selbst Mord und Totschlag. Diese - zunächst aus rein pragmatischen Gründen - vorgenommene Eingrenzung der Thematik auf bestimmte Verfolgungsmaßnahmen hat Folgen, die nicht unbeachtet bleiben dürfen.

  1. Die in vorliegender Datenbank aufgenommenen jüdischen Bürger Wuppertals sind nicht die einzigen, die unter den Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialisten gelitten haben.

  2. Auch bei den in der Datenbank aufgenommenen Personen sind nur einige ausgewählte Maßnahmen der Judenverfolgung aufgeführt: Gefängnishaft, Internierung, Konzentrationslager-Haft, Deportation.

  3. Die hier ausgewählten Verfolgungsmaßnahmen gehören zwar - zumindest was die Deportationen und deren Folgen für die Betroffenen betrifft - zu den gravierendsten Verfolgungsmaßnahmen, aber auch unter den hier nicht aufgeführten Verfolgungsmaßnahmen waren viele, die ebenfalls sehr einschneidende Folgen für die Betroffenen hatten.

  4. Von Haft, Internierung und Deportation waren - nach den hier präsentierten Ermittlungsergebnissen - insgesamt zumindest rund 1.100 Personen, die vor 1934 geboren wurden, betroffen. Viele der jüdischen Bürger, die das gleiche Schicksal erlitten, waren jünger und wurden daher aus Datenschutz-Gründen nicht in die vorliegende Datenbank aufgenommen. Das gilt auch für viele der Deportierten, deren Namen auf den Deportationslisten der Nationalsozialisten standen, denn von den insgesamt 820 jüdischen Bürgern aus Wuppertal und Umgebung, deren Namen in den Deportationslisten stehen, wurden in die vorliegende Datenbank nur etwa 2/3 aufgenommen. Im Gegensatz zu den Deportationslisten, die oft nur den ersten Zielort der Deportation angeben, zeigt die vorliegende Datenbank, daß die meisten Deportationen in zeitlich gestuften Etappen abliefen. So wurden z.B.
    1. viele der laut Deportationsliste nach Theresienstadt deportierten von dort - meist Monate und Jahre später - an andere Orte (wie Minsk, Treblinka, Maly Trostinez oder Auschwitz) weiterdeportiert und blieben verschollen
    2. jüdische Bürger Wuppertals, die "rechtzeitig" ins Ausland geflohen waren, dort nach Einmarsch deutscher Truppen zunächst in Internierungs-, Sammel- und Durchgangslager (wie z.B. Westerbork, Mechelen, Gurs und Drancy) gesteckt, um dann von dort - oft erst Wochen, Monate und sogar Jahre später - weiter deportiert zu werden: nach Auschwitz, Sobibor, Theresienstadt und in andere Konzentrations- und Vernichtungslager im Osten.

Unter den jüdischen Bürgern in der hier vorliegenden Datenbank, die sich nicht auf Wuppertaler Deportationslisten befanden, aber dennoch deportiert wurden, sind vor allem:

  1. Menschen polnischer Herkunft, die im Rahmen der so genannten Polenaktion (am 28.10.1938) nach Polen (Bentschen-Zbaszyn) abgeschoben wurden

  2. zahlreiche Personen, die zwar "rechtzeitig" ausgewandert oder ins benachbarte westliche Ausland geflohen waren, dann aber - z.T. viele Jahre später - nach dem Einmarsch der deutschen Armee in Polen und später in die westlichen Nachbarländer (Holland, Belgien und Frankreich) von dort aus deportiert wurden, nachdem die meisten von ihnen dort zunächst für längere Zeit in Internierungslagern verbracht hatten; z.B. in Westerbork und Vught (Holland), Mechelen (Belgien) und Gurs und Drancy (Frankreich)

  3. Personen, die vor den Deportationen (1941-42) bereits in andere Städte (etwa Köln, Berlin oder Hamburg) umgezogen waren und von dort aus deportiert wurden

  4. Personen (meist in so genannter Mischehe lebend), die erst im September 1944 deportiert wurden - z.T. über Zwangsarbeitslager (z.B. Vorwohle, Minkwitz und Lenne) bis nach Berlin (Internierungslager "Jüdisches Krankenhaus") oder Theresienstadt - und die wegen des Vorrückens der sowjetischen Armee gegen Ende des Krieges nicht mehr weitertransportiert und ermordet werden konnten, so daß sie (fast als einzige) ihre Deportation in der Regel überlebt haben.

Außerdem enthält die vorliegende Datenbank ca. 200 Personen, die - nach unseren bisherigen Recherchen - nicht deportiert wurden, sondern "lediglich" Erfahrungen mit Polizei- und Gefängnishaft, mit "Schutzhaft" in Konzentrationslagern und mit der Internierung in diversen Lagern im Ausland machen mussten. Viele mussten derartige Erfahrungen in Deutschland bereits ganz zu Beginn des "Dritten Reiches" machen. Zu diesen (i.e.S.) nicht deportierten jüdischen Bürgern zählen - in der hier vorliegenden Datenbank - jedoch nicht zuletzt auch alle jene Personen, die nach der so genannten Reichskristallnacht (Pogromnacht) vom 9./10. November 1938 in "Schutzhaft" genommen wurden und danach meist Wochen und z.T. sogar Monate in Konzentrationslagern (für Wuppertaler vor allem Dachau) verbringen mußten.

Publikationen im Zusammenhang mit dem Projekt

  • Brusten, M.: Ein Leben zwischen den Welten. Ernst-Günther Salomon: Kind preußischer Offiziersfamilie in Berlin - wegen "jüdischer Abstammung" verfolgt im Rassenwahn der Nazis. Editierte Auszüge aus einem autobiographischen Interview, in: Prießnitz, H. (Hg.): "Newsletter 11" der Deutschen Gesellschaft für Australienstudien, Universität Wuppertal 1997, S. 64-95.
  • Brusten, M.: "Mr. New Musik" in Australien, in: Being George and liking it. Reflections on the life and work of George Dreyfus on his 70th Birthday. Allans-Publishing, Melbourne 1998, S. 69-101; gekürzte Fassung in Hajo Jahn (Hg.), ELSE - Programmheft zur Uraufführung der ELS-Gedichtvertonungen von George Dreyfus, Solingen 2005, S.14-28 (ISBN 3-936295-08-5).
  • Wollenberg, H.W.: ... und der Alptraum wurde zum Alltag. Autobiographischer Bericht eines jüdischen Arztes über nationalsozialistische Zwangsarbeitslager in Schlesien (1942-1945), Centaurus-Verlag, Pfaffenweiler 1992; herausgegeben und redaktionell bearbeitet von M. Brusten.
  • Korn-Grimani, Sonia: Verlorene Kindheit. Wie ein kleines Mädchen aus Wuppertal den Holocaust überlebte, Lit-Verlag, Münster 2004; herausgegeben und redaktionell bearbeitet von M. Brusten.

Kooperationen mit anderen Forschungsarbeiten

  • Anne Ruhland: Die Kindertransporte 1938/39: von Wuppertal nach England, Magisterarbeit am Historischen Seminar der Universität zu Köln, Juli 2005.
  • Sonja Grabowski: "Mischehen" und "jüdische Mischlinge" in Wuppertal, Forschungspraktikum und Diplomarbeit an der Bergischen Universität Wuppertal, 2005.
  • Simone Hawlitscheck: Zwischen Nächstenliebe und Brudermord - Die deutsche protestantische Kirche und ihre Verfolgung von Juden und Christen jüdischer Herkunft von 1933-45, dargestellt anhand der Städte Düsseldorf und Wuppertal. Dissertation an der Universität Düsseldorf (in Arbeit).
  • Klaus Zieres: Die Nürnberger Gesetze. "Mischehen" und "Rassenschande" in Wuppertal. Eine quantitative Erhebung. Forschungspraktikum und Diplomarbeit (in Arbeit).